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Die Wirtschaft nach Corona – wir vertun gerade alle Chancen auf echte Veränderung

Veröffentlicht am 1. Juni 2020

Während in der Corona-Krise einerseits viel über mögliche Veränderungen gesprochen wird, werden andererseits wieder die ökonomischen Instrumente der Vergangenheit ausgepackt. Können wir das wirklich nicht besser? Und wo wollen wir damit hin?

Krisen können Chancen auf Veränderung sein. Mit dieser Hoffnung und der Erfahrung, was wir alles bewegen können, wenn der politische Wille dazu da ist, konnte man sich in den letzten harten Wochen zumindest etwas trösten: Wenn wir nun schon durch die Corona-Krise müssen, vielleicht lernen wir als Gesellschaft etwas daraus und finden damit auch den Mut, in wirtschaftlichen und ökologischen Bereichen neu zu handeln und echte Veränderungen auf den Weg zu bringen. Schließlich zeigt sich ja gerade jetzt, welche Problem auf dem Tisch liegen – und das so drastisch wie selten zuvor. Daraus Lehren zu ziehen, ist ziemlich naheliegend. Und es wäre dringend notwendig.

Doch all dem Optimismus zum Trotz wird jetzt nicht der große Veränderungsprozess eingeleitet. So soll etwa die Antwort auf die wirtschaftlichen Probleme der Autobranche nun einmal mehr die Abwrack- bzw. Kaufprämie sein, die schon in der letzten Wirtschaftskrise 2009 keine Hilfe war. Denn sie ist eine Finanzierung aus Steuergeldern von uns allen, für ein paar wenige, die sich ein neues Auto leisten können und wollen. Sie verschiebt das Problem nur, indem Autokäufe vorgezogen werden, die dann im nächsten Jahr wieder fehlen – und über den ökologischen Aspekt braucht man eigentlich schon gar nicht mehr sprechen. Wie oft wollen wir diese Branche denn noch retten (müssen), bevor wir neue Wege gehen?

Staatshilfen, ohne echte ökologische Forderungen

Auch die Lufthansa soll satte neun Milliarden Euro vom Staat bekommen, gebündelt durch verschiedene Hilfen und Eigenkapitalmaßnahmen, um wieder auf die Beine gestellt zu werden. Aber an was für Bedingungen ist das geknüpft? Zumindest an keine ökologischen Ziele, wenn man mal von den Beteuerungen, dass die Flotte etwas umweltfreundlicher werden soll, mal absieht. In Frankreich etwa ist dagegen die Staatshilfe für die Air France daran gebunden, dass die Inlandsflüge gestrichen werden. Der französische Finanzminister Le Maire sagte dazu, dass Air France zu Fluglinie werden müsse, „die die Umwelt am meisten respektiert.”

Das sind Ansagen, wie man sie sich in Deutschland wünschen würde, während wir hierzulande sehenden Auges am Möglichen vorbeirauschen. Dabei brauchen wir diese politischen Forderungen jetzt, für unsere Umwelt und um neue Mobilitätskonzepte voranzutreiben. Hinzu kommt, dass als Argument für die Staatshilfen immer wieder der Erhalt Arbeitsplätze dient, was eigentlich ein sehr gutes für Hilfen vom Staat und den Steuerzahler*innen ist – und doch sind die Gelder nicht an den Erhalt von Arbeitsplätzen geknüpft worden, obwohl das möglich gewesen wäre. Denn das soll dann wieder einmal der Markt regeln. Dass wir den Markt auch regeln könnten, an diesen Gedanken will man sich offensichtlich aktiv nicht heranwagen.

Statt Zukunft zu gestalten, werden alte Fehler wiederholt

Wieso werden denn Arbeitsplätze nicht durch Innovationsförderungen langfristig abgesichert? Wieso halten wir, wenn überhaupt, vor allem an einer Antriebswende fest, statt eine Mobilitätswende einzuleiten? Wieso wird nicht auch hier über das Streichen von Inlandsflüge nachgedacht, wo es möglich wäre? Warum werden nicht Fahrräder subventioniert, wieso nicht das Schienennetz ausgebaut, wieso planen wir keinen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr? Wieso werden nicht Städte und Mobilität neu gedacht, wie etwa in Brüssel oder London, wo große autofreie Zonen umgesetzt oder geplant sind? Wieso gibt es in deutschen Großstädten nicht vergleichbare Projekte wie die Superblocks in Barcelona? Wo wollen wir denn mit einer solchen Strategie hin?

Wenn man dann noch bedenkt, dass das Kohlekraftwerk Datteln 4 Ende Mai den Betrieb aufgenommen hat, kann man sich schon endgültig fragen, ob sich Entscheidungsträger*innen nicht langsam mal das Brett vom Kopf nehmen wollen. Ein Steinkohlekraftwerk, im Jahr 2020, bei dem selbst die Kohlekomission der Bundesregierung geraten hatte, es nicht ans Netz gehen zu lassen. Sieht so Politik aus, die eine Energiewende einleiten will? Ganz sicher nicht. Dem Protest gegen das Kraftwerk, durch unter anderem Fridays For Future und Green Peace, haben sich selbst ehemalige Bergleute angeschlossen.

Wirtschaftswandel: gestaltend oder unter Schmerzen?

Statt politisch Zukunft zu gestalten, werden viele Corona-Hilfen und damit auch die Möglichkeiten für eine Änderung unseres Wirtschaftssystems nach der Größe der Lobby vergeben. Nicht nach dem Innovationsgedanken. Nicht nach Zukunftsfähigkeit. Nicht für positive Veränderung.

Es ist die übliche Vogelstrauß-Taktik. Doch nur weil man die Augen vor der nächsten Krise verschließt, wird sie nicht ausbleiben. Und noch schlimmer, wird damit gerade befeuert, was es jetzt eigentlich zu verhindern gilt. Oder wie es die Unternehmerin Joana Breidenbrach in unserem ersten Zebra-Talk formulierte: „Das führende Paradigma in unserer Gesellschaft ist noch immer Profit. Wir brauchen hier einen kulturellen Wandel. Denn sonst wird sich die Wirtschaft irgendwann aus einem Schmerz transformieren müssen.“ Wollen wir wirklich auf diesen Schmerz warten, statt vorher umzudenken?

Wann kommen die große Würfe, wenn nicht jetzt?

Es scheint fast so. Denn warum schrauben wir immer und immer wieder am Kleinklein herum, statt die großen Würfe zu planen? Warum versuchen wir immer wieder, komplexe Probleme wie komplizierte Probleme zu behandeln, bei denen es reicht, in einer Ecke zu putzen und dann wird’s schon laufen? So funktioniert das mit komplexen Problemen nicht. Für die müssen wir ganzheitlich denken, alle Bereiche unter die Lupe nehmen, wirklich mal die großen Hebel bedienen – und Geld als Teil der Lösung begreifen. Denn Geld kann gestaltend wirken, wenn man es richtig einsetzt. Auch wir leisten hier mit Tomorrow unseren Beitrag.

Wann, wenn nicht jetzt? Wie, wenn nicht ernsthaft? Wir machen uns durch den „Das-schaffen-wir-jetzt-nicht-auch-noch“-Mythos bewegungsunfähig. Es ist eine Entscheidung, nicht aktiv zu werden. Richtung gutes Morgen geht es nur auf neuen Wegen. Alles, was ausgetrampelt ist, weist in eine andere Richtung. Wie lange wollen wir uns noch leisten, immer wieder den Schritt zurück zu machen?