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Die Corona-Krise ist wenigstens gut für unser Klima? Leider nicht.

Veröffentlicht am 20. April 2020

Weniger Verkehr, geringere Produktion: Die Corona-Maßnahmen wirken sich positiv auf unsere Umwelt aus. Und trotzdem ist das kein Grund zur Freude.

Fast täglich kann man jetzt von positiven Umwelteffekten lesen: Die Luftqualität verbessert sich in Deutschland und anderen Ländern, die sich in den Lockdown begeben haben. Durch den fehlenden Smog konnte man in Indien, das erste Mal seit 30 Jahren, den Himalaya auch auf eine Distanz von bis zu 200 km wieder sehen. Die Tiere erobern sich den urbanen Raum zurück. In den Kanälen Venedigs ist das Wasser klar und blau. Durch den fehlenden Massentourismus landet weniger Plastik an den Stränden und die Flüge im Personen- und Frachtverkehr sind drastisch zurückgegangen. Kreuzfahrtschiffe fahren überhaupt nicht mehr, die Autobahnen sind frei von Staus – und Deutschland kann seine Klimaziele für 2020 doch noch einhalten.

Wenn schon alles andere gerade sehr belastend ist, tut sich wenigstens etwas für unseren Planeten – könnte man meinen. Aber trotzdem sollte man sich diese guten Nachrichten genauer anschauen. Denn sie sind, wenn überhaupt, tatsächlich einfach nur kurzfristig.

Was ist dran an den positiven Umwelteffekten?

Echte Rückschlüsse auf die Ursachen der zurückgegangenen Stickoxide in der Luft lassen sich erst mit der Zeit ziehen. Denn der Rückgang liegt nicht nur an den Lockdown-Maßnahmen, sondern auch am Wetter. Der Smog wird zurückkehren, wenn die Produktion wieder auf Normalbetrieb läuft und sobald der Trubel in den Städten wieder losgeht, verschwinden auch die Tiere. Das klare Wasser in Venedigs Kanälen entsteht vor allem dadurch, dass es derzeit keinen Bootsverkehr gibt und so der Schlamm und das Gestein nicht aufgewirbelt werden. Die zurückgegangene Vermüllung von Strand und Meer wird sich genau dann wieder erledigt haben, wenn die Urlaubsgäste zurückkehren – und bis dahin hat sich dort genau gar kein Plastik abgebaut. Auch unser Verkehr wird natürlich wieder stark ansteigen, sobald die Möglichkeit dafür besteht und damit auch die Stickoxide und CO₂ in der Luft.

Und mal nebenbei, auch Zuhause zu bleiben, hat nicht nur positive Auswirkungen: Video-Streaming verbraucht schon in normalen Zeiten unheimlich viel Energie – und der Verbrauch dürfte derzeit durch die Isolation, durch Home-Office oder Home-Schooling noch einmal drastisch angestiegen sein. Was wiederum so gar nicht positiv für das Klima ist.

Eine Pause, keine Lösung

Wir haben es hier also mit einer Pause zu tun, nicht mit einer Lösung, nicht mit einer Wende und schon gar nicht mit nachhaltigem Klimaschutz. Die Effekte sind ein reines Zufallsprodukt, auf dem wir uns nicht ausruhen dürfen. Denn sonst kommt es nach der temporären Verbesserung für die Umwelt gleich noch dicker. Warum, kann man ganz gut an der vergangenen Wirtschaftskrise von 2008 nachvollziehen. Denn auch da kam es durch die geringere Produktion erst zu positiven Klimaeffekten, bis die Konjunkturpakete, etwa für die Autoindustrie, ökologisch so richtig reinhauten.

Auch jetzt werden die Stimmen aus der deutschen Autoindustrie laut, die fordern, die Grenzwerte für die Emissionen für Autos wieder aufzuweichen und erneut eine Abwrack- bzw. Kaufprämie einzusetzen. Der Zeitrahmen für den europäischen Green Deal soll gestreckt werden und die amerikanische Umweltbehörde EPA setzt wegen Corona Umweltgesetze gleich ganz außer Kraft. Auch China hat die Fristen für Umweltstandards verlängert und Brasilien angekündigt, ihre Durchsetzungspflichten einzuschränken, was wiederum den Schutz des Regenwaldes vor Abholzung betrifft. Es gibt viele Beispiele dafür, dass wir nun wieder Gefahr laufen, völlig falsche Impulse für die Zukunft zu setzen.

Wir brauchen ein grünes Wachstum

Auch wenn die Überlegungen dazu, wie wir die Wirtschaft möglichst schnell wieder ankurbeln, absolut legitim sind, entscheidet unser Handeln heute darüber, in welcher Welt wir morgen leben. Und wenn wir uns von den kurzfristigen positiven Auswirkungen benebeln lassen und den Klimaschutz jetzt zugunsten ökonomischer Überlegungen zurückstellen, wird das nun einmal fatale Folgen für unsere Umwelt haben.

Wir können nicht an vergangenen Lösungen festhalten. Denn was wir jetzt in der Pandemie an Einschränkungen und Bedrohungen für unser Leben erfahren, ist nur ein Vorgeschmack darauf, was uns erwarten wird, wenn wir nicht gegen die Klimakatastrophe ankämpfen. Deshalb müssen wir nun in erneuerbare Energien, die Verkehrswende und technologische Innovationen investieren. Hoffnung macht, dass das derzeit auch immer mehr Menschen aus Politik und Wirtschaft fordern.

Was wir aus Corona für die Klimakrise lernen können

Ja, man sollte vorsichtig mit den Vergleichen sein, die jetzt häufig zwischen der Corona- und der Klimakrise gezogen werden. Und dennoch können wir gerade viel aus der aktuellen Situation mitnehmen, wenn es darum geht, auch komplexe Themen verständlich zu machen. Es liegt eine unglaubliche Chance darin, die Klimakrise mit der gleichen Intensität und Ausdauer zu erklären, wie es gerade beim Virus der Fall ist. Forschende brauchen auch hier das hohe Ausmaß an Aufmerksamkeit in den Medien und innerhalb des Politikbetriebes, wenn wir eine echte Bereitschaft für Veränderungen in der breiten Masse erreichen wollen. Denn um gute politische Entscheidungen zu treffen, braucht es Expert*innenrat, nicht Lobbyismus. Und um die dann wiederum zu verstehen, braucht es Wissen für alle.

Zudem müssen wir den Klimaschutz endlich genauso konsequent als gesamtgesellschaftliche und globale Aufgabe begreifen, wie wir das bei Corona tun. Wir müssen unsere Rolle als Einzelne darin verstehen und genauso anerkennen, dass es nur mit politischem Handeln geht. Wir müssen begreifen, dass auch die Klimakrise keine Grenzen kennt. Dafür brauchen wir eine stete Berichterstattung darüber, was passiert, wenn wir nicht handeln. Wir brauchen den Fokus auf die Klimakrise, damit sie wirklich in allen Köpfen ankommt. Und vor allem müssen wir auch hier solidarisch sein – innerhalb unserer Weltgemeinschaft und über alle Generationen hinweg.

Denn die Ärmsten wird es wieder härter treffen als die Reichen. Die Jüngeren werden betroffen sein, während die ältere Generation jetzt die größte Entscheidungsmacht hat, ebenso wie einige Regionen auf der Welt glimpflicher davonkommen werden als andere. Sich aber auf Privilegien auszuruhen, ist nicht nur unsozial, sondern blendet vollkommen aus, dass wir in einer globalisierten Welt leben. Wir werden das zusammen schaffen müssen, oder wir schaffen es eben nicht.

Wir dürfen den Point of no Return nicht erreichen

Aber die Sorge bleibt, dass wir in Gänze erst begreifen werden, was die Klimakrise wirklich bedeutet, wenn wir alle Ziele verfehlt haben. Nur ist es in dem Fall tatsächlich zu spät. Die Klimakrise können wir nicht zurückdrehen, wie wir einen Virus eindämmen können. Es gibt beim Klima einen Point of no Return und wir haben keinen Planeten B. Wie dann unsere „neue Normalität“ aussehen wird, wie Olaf Scholz unsere nahe Zukunft derzeit beschreibt, sollten wir nicht kennenlernen wollen: Dürre, Überschwemmungen, großflächig unbewohnbaren Gebiete, Hunger… Bei der Klimakrise sind wir als Weltgemeinschaft die Risikogruppe, die es zu schützen gilt. Wir können es nur nicht mehr währenddessen tun, sondern müssen das vorher schaffen.

Also müssen wir jetzt handeln. Vor allem politisch, aber auch jede*r Einzelne von uns. Das geht etwa, indem man CO₂ vermeidet, es einspart oder indem man es wenigstens kompensiert, wie Ihr es bei uns mit Zero tun könnt. Indem man die eigenen Konsumentscheidungen überdenkt oder auch selbst in grüne Energieprojekte investiert – es gibt viele Möglichkeiten, einen Beitrag zu leisten. Denn wir dürfen nicht damit warten, dass sich die Welt um 180 Grad dreht, wir müssen dafür sorgen, dass es genau dazu nicht kommt. Dafür müssen auch in Hinsicht auf die Klimakrise politische Entscheidungen getroffen werden, die wir als Gesellschaft ganz sicher als Einschnitte erleben werden – aber die uns am Ende eben ein freies, sicheres und gesundes Leben möglich machen.

Ein gutes Morgen? Das haben wir noch in der Hand!

Wenn die aktuelle Krise eines gezeigt hat, dann: Was theoretisch alles möglich ist, wenn es den politischen Willen gibt, zu handeln. Und genau deshalb darf die Klimakrise nicht in den Hintergrund rücken, sondern wir müssen noch entschiedener fordern! Gerade jetzt. Denn Morgen kommt. Die Frage ist nur, was für ein Morgen das sein wird.

Das kann nur gut ausgehen, wenn wir nicht von Krise zu Krise schlittern, nicht Symptome behandeln wollen, sondern uns endlich an die Wurzeln der Probleme machen, bevor sie uns dann wieder scheinbar aus dem Nichts überraschen. Denn das ist nicht der Fall. Die Wissenschaft bearbeitet das Thema seit Jahrzehnten. Wir wissen, was auf uns zukommt. Und noch können wir das verhindern.